Kritiken
15 Jahre nach Einführung des Arbeitslosengeldes II gibt es erbitterte Diskussionen. Ist die staatliche Hilfe wirklich zu wenig, um zu überleben? Oder wird im Gegenteil der Anreiz geschaffen, morgens gar nicht mehr aufzustehen? (…) Es ist ein Querschnitt durch die deutsche Gesellschaft im ARD-Film "Der Hartz IV-Report" von Katrin Wegner. (…) Der Report im Ersten ist gut recherchiert und ausgewogen erzählt. Vor allem weil der Film zeigt: Es kann jeden Menschen in Deutschland treffen.
(…) Seit dem Start der Dokureihe vor 24 Jahren gehört es zum „37 Grad“- Konzept, über Einzelschicksale zu berichten, um den Zuschauerblick auf eine gesellschaftliche Gruppe zu lenken. In diesem Film geht der Ansatz auf. Die Wohnungsnot etwa trifft Alleinerziehende besonders hart: In Manuels Dorf gibt es keine Kinderbetreuung, sodass er nicht zur Arbeit pendeln kann. Einen geplanten Umzug in die nächste Stadt musste er jedoch absagen, weil die Familie keine bezahlbare Wohnung fand. Ein Teufelskreis. Filmemacherin Wegner ist nah dran an ihren Alleinerziehenden. (…) Diese Nähe führt mitunter dazu, dass arg viel über Probleme gemäkelt wird, die nicht nur Alleinerziehende kennen. Einen berührend sympathischen, weil bescheidenen Satz sagt schließlich Manuel, als er nach seinen Träumen befragt wird. Er wünsche sich Alltag, antwortet er: morgens froh aufwachen und abends froh ins Bett gehen – „einfach ein ganz normales bürgerliches Leben“. Fazit: Drei Schicksale in 30 Minuten – etwas pessimistisch, aber nah am Leben.
Ein Baby zur Adoption freigeben: eine extrem schwere und mutige Entscheidung. Katrin Wegner porträtiert für die Reihe 37° drei Mütter, die das Beste für ihr Kind wollen. (…) Der Film von Katrin Wegner beschönigt nichts, aber zeigt: Adoption ist manchmal das Beste für ein Kind.
(…) Für Moralapostel ist das Urteil klar: Mütter, die ihre Kinder zur Adoption freigeben, sind eiskalte Monster. Dass es mitnichten so ist, zeigt die neue Folge der ZDF-Dokumentarfilmreihe „37 Grad“ von Katrin Wegner mit dem Titel „Das Beste für mein Kind“. Er porträtiert neben Andrea und Vika (...) die 36-jährige Nicole, eine schwer depressive Frau, die ungewollt schwanger wurde und mit sich ringt, ob sie ihren Sohn bei sich behält oder adoptieren lässt. Der Zuschauer erlebt die Seelenqualen und Gewissensbisse der Frauen, ihr inneres Ringen, das sich stets um die Frage kreist: Habe ich wirklich die richtige Entscheidung getroffen und „das Beste“ für mein Kind getan? Der Film von Katrin Wegner legt dem Zuschauer ans Herz, die Welt nicht einfach in Gut und Böse zu unterteilen, weil zwischen Schwarz und Weiß unglaublich viele Farben existieren. Besonders hervorgehoben werden muss die Recherchearbeit der Autorin. Wegner brachte entscheidende Protagonisten zum offenen Reden vor die Kamera, selbst den Vater von Nicoles Kind. Dadurch bildet die Doku umfassend die Folgen einer Adoption ab. Sie wirft auch einen Blick auf das Verhalten der Adoptiveltern, die – emotional sehr wohl nachvollziehbar – Angst vor dem Kontakt ihres Ziehkindes zur leiblichen Mutter haben. Der Film zeigt, wie die „ganze Familie“ miteinander auskommen kann – zum Wohle der leiblichen Mutter, der Adoptiveltern sowie des Kindes, die früher oder später häufig geklärt haben wollen, woher sie eigentlich stammen und warum sie „weggegeben“ worden sind. (…) Ein Schauspiel für die Kamera? Niemals. Eine Stärke der Doku ist der Kontrast zu Nicole, die vor sich hat, was Andrea und Vika erlebt haben. Die 36-Jährige schwankt zwischen „Muttergefühlen und Selbstschutz“. Das heißt nach ihrer Darstellung: Sie möchte, dass das Kind in Liebe und in dem Gefühl das Licht der Welt erblickt, willkommen zu sein.
(…) Filmemacherin Katrin Wegner zeigt zwei sehr unterschiedliche Vätertypen, in denen sich viele Zuschauer wiedererkennen können. Ihre Reportage erzählt von Wut und Mut, Angst und Hoffnung – bei den Vätern wie bei den Kindern. (…) Fazit: 30 emotionale Film-Minuten, wie man sie von der ZDF-Reihe erwartet. Bedrückend, aber auch Mut machend: Für eine Aussprache ist es nie zu spät.
Diese TV-Reportage von Katrin Wegner dauert bloß eine halbe Stunde. Sie hätte einen besseren Sendeplatz verdient als den Samstagnachmittag. Sie treibt uns die Tränen in die Augen über den Zustand eines Landes, das sich so gern, so oft selbst feiert. Gerhart Trabert, Allgemeinmediziner, unterhält eine Armenambulanz. Der Andrang ist groß, es gibt sechs Behandlungszimmer. »Hier hat man den Eindruck«, erfahren wir von einer Assistentin, »dass man etwas Sinnvolles macht, und man kriegt auch etwas zurück.« Wer hier arbeitet, arbeitet ehrenamtlich. Der Arzt sucht seine Patienten auch in der Tiefgarage auf. Es waren keine Sensationen, die diese Menschen aus ihrem geordneten Alltag zogen, sondern irgendwie »bloß« Normalitäten wie eine Krankheit, eine Scheidung, was Alkohol. Die Reportage folgt mehreren Patienten und ihrer Krankengeschichte. Trabert fährt zur Arztsprechstunde in ein Obdachlosenheim, er vermittelt Krankenhausplätze. In Mia-san-mia-Land sind hundertvierzigtausend Menschen trotz Versicherungspflicht nicht krankenversichert, die Dunkelziffer liegt laut Trabert bei etwa einer halben Million. (…) Sicher, wir sind erleichtert, dass es in vielen Städten Tafeln gibt, sie sind längst unentbehrlich geworden. Aber irgendwie, erinnern wir uns, war es – Wohlstand! Lebensqualität! – neulich noch eine vorrangige Aufgabe des Staates, die Gesundheitsversorgung aller Bürger zu gewährleisten, ganz zu schweigen von Arbeitsplätzen, die den Lebensstandard sicherten. Seit wann breitet sich eigentlich Armut aus in diesem Land, und (…) macht sich jemand Gedanken darüber, wie lange das so weitergehen soll? Danke für diesen Film.
(…) Katrin Wegner hat es durch geduldige Zusammenarbeit und viele Gespräche mit den Mädchen geschafft, sich einen Einblick in die Gedankenwelt ihrer Protagonistinnen zu verschaffen. Gleichzeitig zeigt sie auf, wie die Pharmaindustrie versucht, die blutjungen Kundinnen über Werbemaßnahmen zu ködern. So gibt es zu den Wunderpillen, die weitaus teurer sind als die alten, Schminktäschchen, Spiegelchen oder Schlüsselanhänger. Alles ist nur auf Äußerlichkeiten und Konsum getrimmt. Der Filmemacherin ist es mit ihrer Kamerafrau gelungen, ein bemerkenswertes Mutter-Tochter-Gespräch festzuhalten. Es ist beunruhigend zu sehen, wie wenig die Tochter damit anfangen kann, als ihr die Mutter erklärt: „Wenn Gott gewollt hätte, dass du dicke Brüste hast, dann hätte er dir welche gegeben.“ Katrin Wegner macht mit ihrem Film auf ein Problem aufmerksam, das sich ganz unbemerkt entwickelt hat.
(…) Statt einseitig aufs Internet einzutreten, zeigt Wegner Lösungsansätze und pocht auf die Medienkompetenzförderung der Jugendlichen: "Vielen wird dadurch oft erst klar, was sie den anderen angetan haben."
Ähnlich optimistisch wählte die Filmemacherin auch ihre Protagonisten aus, die sie aber nicht als Opfer präsentiert, sondern als Kämpfer: "Ich wollte drei starke Schüler finden, die sich selbst aus dieser furchtbaren Situation befreit haben und bei denen man sich fragt, warum sie Mobbingopfer geworden sind", resümiert die Autorin. Und doch ist ihre Reportage keine Ursachensuche. Zu willkürlich sei die Auswahl der Opfer. "Ninti und Sylvia sind sehr schöne Mädchen, sie sind sehr sozial und sehr selbstbewusst, und trotzdem ist es ihnen passiert", sagt Katrin Wegner. Auch mit Tätern und mobbenden Mitläufern sprach sie. Von ihnen wollte sich kaum einer vor der Kamera äußern.
(…) Die Filmemacherin Katrin Wegner, selbst Mutter zweier Kinder, geht in ihrer Dokumentation "Ist mein Kind noch normal?" der Frage nach, weshalb Ärzte und Kinderpsychologen so schnell mit Diagnosen bei der Hand sind und warum Kindern in unserer Gesellschaft nicht mehr gestattet wird, sich in ihrem eigenen Tempo zu entwickeln. Die Ausstrahlung erfolgt im Rahmen der Reihe "37°" im ZDF. (…) "Normale Kinder, die stark von ihrem Umfeld und der Gesellschaft beobachtet werden, weil sie in irgendeiner Form auffällig sind, werden pathologisiert", konstatiert Regisseurin Wegner beinahe erzürnt. Sie griff das Thema auf, weil ihr eigener Sohn sich nicht wie ein "typischer Junge" benahm: Er mochte nicht rutschen und toben, sondern beschäftigte sich lieber mit Büchern. "Eltern werden ganz schnell von Kinderärzten, Lehrern und Erziehern angesprochen, wenn etwas nicht der Norm entspricht", so die Wahl-Frankfurterin. Sie ließ ihrem Sohn seinen Entwicklungs-Freiraum. (…) "Inwiefern sind wir nicht mehr in der Lage, Kindern Entwicklungsspielraum einzuräumen? Muss alles genormt sein?" Diese Fragen stellt sich Wegner nicht nur als Regisseurin.
Erst mal eine rauchen gehen
Ein junger, jähzorniger Vater misshandelt seinen Sohn. Die Behörden nehmen ihm und der Mutter gleich beide Kinder. Gibt es in Deutschland wirklich so viele ungeeignete Eltern?
„Da ist so ne Leere“, sagt Nadine. „Wofür soll ich überhaupt noch leben?“ Die 19-Jährige berichtet auch, sie könne nicht mehr essen und schlafen. Wir sehen eine traurige Frau, die ihre Kinder verloren hat.
Michael, das ist der Freund von Nadine, er ist 20, hat ohnehin schon schlechte Laune, und dann will der sechs Wochen alte Maik einfach nicht aufhören zu schreien. Kann man sich ja nicht auf die Xbox konzentrieren. „Da sind mir halt die Nerven durchgegangen“, erklärt der junge Mann jetzt mit einem Tonfall, als würde es sich um ein verdaddeltes Spiel auf seiner Konsole handeln. Blutergüsse und Prellungen stellt man im Krankenhaus bei dem Säugling fest. Es sind keinesfalls nur frische Verletzungen. Schon früher müsse das Baby geschlagen worden sein. Vermutlich mit einem stumpfen Gegenstand.
Mitleid mit Michael? Mitleid mit Maik?
Müssen wir Mitleid haben mit Nadine und Michael, denen Maik und zugleich die eineinhalbjährige Nadja vom Jugendamt weggenommen wurden? Muss man den jungen Eltern nicht noch einmal eine Chance geben?
Unglaubliches wie nebenbei erzählt
Katrin Wegner ist mit „Mutter gegen Jugendamt“ (WDR) eine starke Dokumentation gelungen. Ein Film, der sachlich ist und Unglaubliches wie nebenbei erzählt. Er versucht auch, die Frage zu beantworten, ob die Ämter vielleicht doch übereifrig sind – vor allem seit so viele Kindesmisshandlungen mit tödlichem Ende vermehrt Schlagzeilen machen. Muss ein Kind wirklich gleich in eine Pflegefamilie, weil die Mutter überfordert ist? Wie Tausende andere Mütter in Deutschland auch.
Sag es: Ich liebe dich
Sie habe ihr Kind ja nicht geschlagen, argumentiert Nadine. Von Michael hat sie sich inzwischen getrennt. Das Amt bleibt hart. „Beide Eltern sind verantwortlich für die Misshandlungen“, erklärt Thomas Heinicke vom Jugendamt Kreis Borken. Er plädiert dafür, dass die Kinder weiterhin in ihren Pflegefamilien bleiben. Nadine und Michael dürfen sie einmal in der Woche sehen. Nadja sagt zu ihrer Pflegemutter inzwischen Mama. Nadine hat ein Geschenk mitgebracht. Michael versucht, seine Tochter dazu zu bringen, „Ich liebe dich“ zu ihm zu sagen. Was für eine groteske, heuchlerische Szene. Oder kann er einfach nicht anders? Der Junge Michael, den die Mutter immer prügelte.
Wohnung, Haushälterin oder Knast
Bezeichnend ist auch eine andere Einstellung. Wir erfahren, dass Nadine und Michael seit Jahren vom Amt Familienhilfe erhalten. Man stellt ihnen eine Wohnung zur Verfügung, jeden Tag kommt eine Haushälterin, ein- bis zweimal die Woche schaut die Sozialarbeiterin vorbei. Sage da einer, Vater Staat sorge sich nicht um seine Kinder. Nadine berichtet: „Meine Betreuerin kam nicht oft genug.“ Und dann der Gipfel an Zumutung: „Ich musste sogar immer wieder mal zu ihr ins Büro.“
Die Gewalt an seinem Jungen kommentiert Michael lapidar für die Kamera: „Wenn ich die Wahrheit sage, bekomme ich Bewährung. Wenn ich lüge, muss ich in den Bau.“ Die neuen Pflegeeltern der Kinder beschreiben ihre Schützlinge bei der Ankunft als unterernährt, blass. Nadja habe immer noch nicht laufen und sprechen können, so die eine Neumutter. Die andere erzählt, wie sehr Maik anfangs gebrüllt hat, sobald man ihn nur habe ausziehen wollen.
Erst putzen, dann platzen
Kurz vor dem Sorgerechtsprozess müssen Nadine und Michael zur Psychologin, die ein Gutachten erstellen will. Michael putzt mit den Fingern seine Turnschuhe, bis er seinen ersten Wutanfall hat. Springt auf, schreit und will den Raum verlassen. „Mit mir lasse ich nicht alles machen“, fährt er die Psychologin an. Weiß er, was er da sagt? Kann er den Satz wirklich sagen, nach allem, was er seinem Sohn angetan hat? „Ich geh jetzt erst mal eine rauchen, sonst platz ich gleich“, erklärt er.
Kein Sorgerecht, aber neu verliebt
Das Gericht wird den Eltern das Sorgerecht entziehen. Michael scheint nicht sonderlich beeindruckt. Nadine trennt sich danach wieder einmal vom Vater ihrer Kinder. Sie will jetzt den Realschulabschluss nachholen. Sie ist neu verliebt. Man denkt: Hoffentlich wird sie nicht wieder schwanger. Man denkt auch: Warum wird so ein guter Beitrag in einem dritten Programm um 22.30 Uhr versteckt?
Auszug aus der Rezension zu „Kleine Haustyrannen“ in der Sächsischen Zeitung von Elke Zöller am 3. Juli 2009:
(…) Das war ein aufschlussreicher, kritischer Dokumentarfilm von Katrin Wegner zu einem gesellschaftlich relevanten Thema. Der ZDF-Dokukanal strahlte dazu einen Tag später eine bereichernde Diskussion aus.
(…) In ihren Sozialreportagen und Dokumentationen hat sich die Autorin immer wieder mit Problemen von Eltern und Kindern befasst und dadurch gute Kontakte zu Jugendämtern bekommen. «Mitarbeiter des Jugendamtes haben mir den Vorschlag gemacht, mich doch einmal mit der Situation der Mütter zu befassen, die ihre Kinder nach der Geburt zu Adoption freigeben», berichtet Katrin Wegner, selbst zweifache Mutter. Es waren Jugendämter, die ihr den Kontakt zu ihren Protagonistinnen ermöglichten. Allerdings waren nur wenige Frauen bereit, sich vor der Kamera zu äußern. Einmal ein Kind geboren und danach abgegeben zu haben, gehört zu den Lebensgeheimnissen, die die Frauen nicht gerne preisgeben. Katrin Wegner: «Den meisten Frauen fällt es schwer, darüber zu reden.» Ihre beiden Protagonistinnen ließen sie teilhaben an ihrer Suche.
(…) Katrin Wegner hat für ihren Film "Männerwirtschaft" in der Reihe "Menschen hautnah" beobachtet, wie zwei alleinerziehende Väter und ihre Kinder gegen Rollenklischees kämpfen müssen und sich ein Familienleben maßgerecht zusammen gebastelt haben. (…) Die Autorin stellte behutsam Fragen, zeigte sich einfühlsam, nie voyeuristisch. Sie fragte nicht nach den Gründen, warum die Mutter die Familie verlassen hat, denn das tat nichts zur Sache. So zeigten sich die Kinder auskunftsbereit und die Väter spielten nicht den strahlenden Helden, sondern erklärten, dass man eine Mutter nie ersetzen, aber andere Lebensformen entwickeln kann. Der Zuschauer sah sich nicht als Eindringling. Er konnte sich in dem Beitrag guten Gewissens darüber informieren lassen, wie das denn so ist mit der "Männerwirtschaft".
Katrin Wegner beobachtete in ihrer Dokumentation im Rahmen der 37°-Reihe Kinder gehörloser Eltern, die schon früh gefordert werden. Sie beherrschen die Gebärdensprache und müssen für ihre Eltern übersetzen. Beim Gespräch innerhalb der Familie oder beim Termin mit dem Schulrektor schlüpfen sie in die Rolle der Erwachsenen. Wie sich der Rollentausch innerhalb dieser Familie vollzieht, zeigte diese Dokumentation sehr einfühlsam. Der starken Rolle sind die Kinder dabei nicht immer gewachsen, doch es muss eben funktionieren. Und so entwickeln sie sich, so ein Fazit des Films, sehr schnell zu selbstbewussten Persönlichkeiten, einfach weil sie es müssen. (..) Fazit: Eine spannende Dokumentation um früh erwachsene Kinder, in der zugleich hintergründige Einblicke in ihre Familien geboten wurden.
Wie ist das, wenn die eigene Mutter nicht einem "normalen" Job nachgeht, sondern als Prostituierte arbeitet? Die Reportage "Mama liebt für Geld" ging dieser Frage auf den Grund und befragte dazu drei junge Leute, deren Mütter im horizontalen Gewerbe tätig sind. Es war hochspannend, die Meinung der Kinder zu diesem Thema zu erfahren, die Probleme, die daraus entstehen sowie den Einfluss, den die Arbeit der Mutter auf das Leben der Kinder ausübt. Fazit: Ein Tabuthema aus einer ungewöhnlichen Perspektive betrachtet - sehr interessant!
(…) Mit ihrer unbefangenen Darstellung hat die Autorin aufgeklärt und Mut gemacht bei einem Thema, das mit Vorurteilen und Falschwissen belastet ist wie kaum ein anderes.
Sie haben über alles nachgedacht. Über die Wut, die sie manchmal auf den Vater hatten, weil er sich "so hängen ließ". Darüber, dass "er auf Händen laufen" und man prima mit ihm lachen konnte. Zwei Jugendliche und eine junge Frau zeigen in Katrin Wegners Film Sehnsucht nach ihm - Mit dem Freitod des Vaters leben, wie sie Trauer und Sprachlosigkeit überwunden und neue Lebenskraft geschöpft haben. (…) Der Film hat eine besondere Qualität. Er ist stark intentional mit seiner Aussage: Der reflektierte Umgang mit Leid kann außergewöhnlich gefestigte Persönlichkeiten hervorbringen, so die Filmbotschaft. (…) Wegners beeindruckendes Plädoyer, das Thema Selbsttötung zu enttabuisieren, zeigt auf, dass eine offene Auseinandersetzung der Angehörigen beiträgt, deren eigenes Leben positiv zu beeinflussen. Die drei Protagonisten sind keine vom "Schicksal geschlagenen und gebeutelten" Menschen. Andreas, Angela und Stephanie reifen an ihrem Leid, sich ihren widersprüchlichen Gefühlen zu stellen und entwickeln eine Art Lebensklugheit. (…) Keineswegs selbstverständlich ist in solchen Dokumentationen der kompetente Umgang mit Fachtermini. In Wegners Film fällt wohltuend auf, dass Begriffe hier bewusst eingesetzt werden. Kein einziges Mal taucht das Wort "Selbstmord" auf, das den Suizid als Verbrechen wertet und somit die Frage nach Schuld in den Raum stellt. Wegner verwendet den philosophischen Begriff "Freitod", der beinhaltet, dass es sich hierbei um eine freie Entscheidung handelt, aus dem Leben zu scheiden, weil das Dasein als sinnlos empfunden wird.
Er war nie woanders als im Himmel für mich", sagt die junge Frau, deren Vater sich vor acht Jahren das Leben nahm. An den zu denken, der sie zu früh verließ, wurde zum zentralen Thema ihres Lebens - auch zu dem ihrer Diplomarbeit über Menschen, die ein Elternteil durch Suizid verloren. Ob auch Katrin Wegner, die sich in ihrer anteilnehmenden Reportage diesem Schicksal widmete, eine Leidensgenossin ist, kann nur vermutet werden. Jedenfalls ließ ihr Film erkennen, dass ein solcher Verlust, wenn er intensiv verarbeitet wird, sogar zu einer Stärkung der Persönlichkeit führen kann. (…)
(…) An drei Fällen, die für alle (Halb-)Waisen stehen könnten, zeigte Katrin Wegner behutsam und unsentimental, wie schwer Heranwachsende mit solch einem Verlust fertig werden. Und wie tapfer sie nach Möglichkeiten suchen, ihr Trauma zu bewältigen. (…) Bestürzender war, was sich hinter den Aussagen der Kinder offenbarte: Väter spielen eine viel größere Rolle bei der Entwicklung ihrer Kinder, als ihnen selber bewusst sein mag. Hoffentlich haben diese auch gut zugehört.
Jeder Mensch trauert anders. Der eine behält seinen Schmerz über den Tod eines Angehörigen oder Freundes für sich und zieht sich ins Schneckenhaus zurück. Andere können mit dem Verlust nur fertig werden, indem sie darüber sprechen. So wie Stephanie, eine junge Frau, deren Vater sich erhängte. Um sie und zwei andere Kinder von Selbstmördern ging es in Katrin Wegners einfühlsamer Reportage. Der Beitrag machte deutlich, welchem Gefühlswirrwarr die Kinder von Suizidopfern ausgesetzt sind: Da ist nicht nur Trauer, sondern auch die quälende Frage nach den Gründen des Selbstmords und vor allem die Wut auf den Vater, der seine Familie im Stich ließ. Doch so seltsam es klingt, in gewisser Weise profitieren die Betroffenen auch von ihrem Schicksal. Er habe sich schnell zu einem sehr selbstständigen Menschen entwickelt, berichtete etwa der 14-jährige Andreas, dessen Vater sich vor acht Jahren vor den Zug warf. Stephanie kann nach eigener Auskunft die schönen Dinge des Lebens besser würdigen und regt sich über Kleinigkeiten nicht mehr so auf wie früher. Alles in allem gelang Wegner eine unaufdringliche, aber intensive Reportage.